Von Frühling bis zum Winter in Niederbayern
Deutscher Kinder- und Jugendtrachtentag erstmals mit einer Portion Schnee absolviert
Das gab es noch nie! Altgediente Mitwirkende der Deutschen Kinder- und Jugendtrachtenbewegung waren erstaunt ob solch eines Novums: Es schneite zum Deutschen Kinder- und Jugendtrachtentag, Bayern verwandelte sich in ein Wintermärchenland. Das gab gleich Gelegenheit zu dem einen oder anderen Schneeball, der glücklicherweise niemanden getroffen hat. Auch Nicole Dlabal, die verdiente ehemalige DTJ-Vorsitzende war gekommen und erhielt die Ehrennadel der DTJ für ihre erfolgreiche Arbeit über 12 Jahre. Eine weitere Ehrung der DTJ erhielt Günther Frey von der Bayrischen Trachtenjugend, der einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der DTJ geleistet hat.
Ein komfortables Quartier beim Bayrischen Trachtenverband e.V.
Große Aufmerksamkeit hatte das Wachsen und Werden des Bayrischen Trachtenkulturzentrums in Holzhausen schon seit Jahren auf sich gezogen. Der Bayrische Trachtenverband hat sich einen festen Anlaufpunkt geschaffen, mit viel Eigeninitiative. Ein historischer, denkmalgeschützter Pfarrhof nahe Landshut wurde ausgebaut und ist nun gewissermaßen das Zentrum der bayrischen Trachtenbewegung. Der riesige Vierseithof besitzt unter anderem ein Jugendbildungshaus, einen Zeltplatz, einen Veranstaltungsstadl, ein klimatisiertes Archiv und ein Trachtenmuseum. Alle Zimmer des Jugendgästehauses hat ein anderer Mitgliedsverband des Bayrischen Trachtenverbandes mit regionaltypischen Stücken eingerichtet. Eine Reise durch ganz Bayern in einem Haus! Armin Schmid und das Team der Bayrischen Trachtenjugend haben sich insgesamt mit der Organisation der gesamt Veranstaltung mächtig ins Zeug gelegt! Herzlichen Dank! Bayrische Lebensart hat was.
Interessante Dialekte von Nord nach Süd und Ost nach West
Keiner spricht mehr Mundart? Weit gefehlt! Das zeigte die Begrüßungsrunde im Augustinerstadl des Trachtenkulturzentrums. Der große Hit war z.B. der „Ackerschnacker“ Was das ist? Auf jeden Fall schon mal kein uraltes Mundartwort. Die Trachtenfreunde aus Mecklenburg-Vorpommern brachten es ein. Dort gewinnt Mundart wieder so langsam an Grund und Boden und wird sogar in die Schulen integriert, wie sie berichten konnten. Man kreiert neue Wörter: Der Ackerschnacker ist ein Mobiltelefon. Da klingt das Mundartwort doch weit besser, oder etwa nicht?
Mundart spielte aber noch eine weit größere Rolle am Wochenende, als geplant war. Neu und abwechslungsreich wurde z.B. der Rechenschaftsbericht der jungen Trachtler auf der Präsidiumssitzung vorgetragen. Sönke Thede und Silke Lantau aus Schleswig Holstein snaggten gleich mal in Platt über das vergangene Jahr und wurden von vielen verstanden. Für die anderen gab es eine Übersetzung. Überhaupt fand der dialogische Rechenschaftsbericht großen Anklang, und auch die Delegierten der Landesverbände waren um keine Antwort verlegen.
Tanz vor dem Rathaus und dem Stadttor
Tanzen bildet unbestritten. Es ist der Hauptschwerpunkt des Interesses der Teilnehmer zum Kinder- und Jugendtrachtentag. In den Workshops wird aber nicht nur eine flotte Sohle aufs Parkett gelegt, nein, auch echte und handgemachte Musik spielt eine große Rolle. Ulli Brehm aus Baden-Württemberg leitet den Musikworkshop. Hier erlernen die Teilnehmer, die schon instrumentenkundig sind, gemeinsam zu spielen. Dieser Kurs könnte in der Zukunft noch weitere Interessenten gebrauchen. Vor dem Landshuter Rathaus entfaltete sich dann die Deutsche Tanzfolge, in der Tänze aus sämtlichen Bundesländern zu finden sind, z.B. Sternpolka aus Bayern oder eine thüringische Interpretation des Tampet. Sie werden gemeinsam von allen Teilnehmern des Wochenendes getanzt.
Ein Vierteljahrhundert DTJ im Visier
Ein Berg voll Akten und Erinnerungen lag vor der Arbeitsgruppe, die zu 25 Jahren DTJ Pläne ausarbeitete. Ja, der Jugendverband hat bald silbernes Jubiläum, und zwar im Jahre 2021. Wie soll die Dokumentation dazu aussehen. Andrea Mark-Fuchs kümmerte sich um eine Planung und es wurden einige Leitlinien abgesteckt. Eine Buchform soll es wohl werden, besondere Schwerpunkte werden herausgearbeitet. Einige erinnern sich noch an das erste große DTJ-Seminar 2001 in Berlin unter Leitung von Elke Muhs. Damals wurde erstmals eine Tanzfolge der Deutschen Trachtenjugend getanzt, und zwar gleich im Schloss Bellevue zum Empfang beim damaligen Bundespräsidenten Rau. Vielleicht wird es 2021 auch wieder ein Deutsches Kinder- und Jugendtrachtenfest geben. So zum Jubiläum? Das passt doch!
Wichtige Beschlüsse, Stadtrallye, neue und alte Kontakte
Ziel eines solchen Wochenendes ist es zudem, die Gastgeberregion kennen zu lernen. In Landshut gab es deswegen eine Stadtrallye, bei der wichtige architektonische Wahrzeichen und Kunstwerke gefunden werden mussten. Das reichte vom Stolperstein für ins KZ deportierte Mitbürger bis hin zum großen Bildhauermeister Fritz Koenig, dessen Kunstwerke auch in Amerika zu finden sind. Tragisch die Geschichte des Maurergesellen, der vom hohen Kirchturm stürzte, weltberühmt die Landshuter Hochzeit, die alle vier Jahre als großes Fest stattfindet. Sie erinnert an die Hochzeit der polnischen Königstochter Hedwig mit einem bayrischen Herzog 1475.
Man hilft sich, gibt Tipps und besonders die Abende bringen Abwechslung, Kontakte, Kurzweil und so manche neue Freundschaft. Die bayerischen Trachtenfreunde gestalteten den Samstagabend produktiv mit mehreren Workshops. So wurden Edelweiß geschnitzt, es wurde Haarschmuck gebastelt, im Schnee der Winternacht knallten die Peitschen auf dem Hof und der Gesang hatte erstaunlicher Weise eine Menge Fans. So konnte jeder seinen Interessen nachgehen und das eine oder andere Präsent mit nach Hause nehmen.
Nun ja, ein Deutscher Kinder- und Jugendtrachtentag besteht nicht nur in angenehmen Bildungsunternehmungen, es werden wichtige Entscheidungen getroffen, welche die Zukunft des größten Jugendverbandes der Trachten- und Brauchtumspflege in der Bundesrepublik steuern. Denn die DTJ ist ganz aktives Mitglied im Deutschen Bundesjugendring, der Interessenvertretung der Jugendverbände. Hier wird zum Beispiel demnächst ein Antrag zum Schutz des arbeitsfreien Sonntags eingebracht. Weiterhin wurde abgestimmt, wo der nächste Deutsche Kinder- und Jugendtrachtentag stattfindet. Die Signale wurde auf freie Fahrt nach Mecklenburg Vorpommern gestellt, und zwar genau nach Ribnitz – Damgarten.
Text: Dirk Koch
Fotos: Dirk Koch & Juliane Widder